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Neues Testament: Handschriften

Eine Handschrift (Manuskript) ist eine Kopie (möglicherweise einer weiteren Kopie usw.) des ursprünglichen Texts (Autograph).
Die Textkritik versucht herauszufinden, welches Manuskript diesem ursprünglichen Text am nächsten kommt.
Es existieren ca. 5700 griechische Handschriften (Zum Vergleich: von Ilias ca 2000 (die zweitbeste Quellenlage), von Tacitus ca. 20, von Platon ca 7, von Julus Cäsar ca. 10). Daneben hat man ca 20000 Handschriften in anderen Sprachen gefunden.

Katalogisierung von Manuskripten

Wettstein, 1751

1751 ordnete Johann Jakob Wettstein allen damals bekannten Majuskeln (Unzialen) einen Grossbuchstaben und den bekannten Minuskeln eine (arabische) Nummer zu.
Das Zuordnen von Grossbuchstaben und Nummern wurde nach Wettstein für neu entdeckte Majuskeln und Minuskeln weitergeführt.
Als Konstantin von Tischendorf den Codex Sinaiticus entdeckte, waren alle lateinischen und griechischen Grossbuchstaben vergeben, so dass der Sinaiticus den hebräischen Buchstaben א erhielt.
In der Folge wurden weitere hebräische Buchstaben zugeordnet, aber nur das א überlebte bis ins 20. Jhdt.

Gregory Aland Nummer

1908 begann Caspar René Gregory wegen der nun grossen Menge bekannter Majuskeln, diese mit einer führenden Null zu numerieren: א = 01, A = 02, B = 03 etc.
Die Minuskeln erhielten eine Nummer ohne führende Null, Papyri eine Nummer mit einem führenden P.
Die Gregory Aland Nummern werden vom Institut für Neutestamentliche Textforschung bewirtschaftet/aktualisiert.
Eine Handschrift wird in eine der folgenden vier Listen zugeordnet
  • Majuskeln/Unziale (Grossbuchstaben ohne Wortabstände). Auch genannt Unziale. Nummern starten mit einer 0. Die meisten Unzialen können auch mit einem Sigla identifiziert werden (z.B. 01 = א, 02 = A, 05 = Dea)
  • Papyri. Nummern starten mit P oder 𝔓.
  • Minuskeln (Kleinschriften). «Normale» Nummern. Die älteste datierte Minuskel ist 461 aus dem Jahr 835.
  • Lektionare (Lesebücher). Nummern starten mit l oder ℓ.
Siehe auch:

Von Soden

Von Soden hat ein eigenes ausführliches System entwickelt, um die Handschriften zu katalogisieren.
Wegen der Komplexität dieses Systems kann es sich wohl kaum durchsetzen.

Trismegistos Nummern

Daneben spielen auch die Trismegistos Nummern eine gewisse Rolle. Das Ziel dieser Nummern ist es, eine Datenbank mit Informationen über einen Text der Periode 800 v. Chr. - 8. n. Chr zu finden. Beim Trismegistos-System handelt es sich also um eine Metadatenbank. Trismegistos Nummern starten mit TM.

Papyri

Papyrus wurde in der Antike verwendet. Die meisten Papyri überlebten nicht, da sie sehr anfällig gegen Feuchtigkeit sind. Nur in trockenem Klima (wie Ägpyten) konnten sie in die Neuzeit überdauern.
Das einzige Papyrus, das Bücher ohne Lakunen enthält, ist 𝔓72.
Die meisten Papyri stammen aus dem 2. bis 7. Jhdt. Die Papyri 𝔓52, 𝔓90, 𝔓98 und 𝔓104 werden auf das 2. Jhdt. datiert.
Die Papyri werden mit einem 𝔓 und hochgestellten Zahlen (z. B. 𝔓52) gekennzeichnet. Die Zahl wird in der Reihenfolge der Entdeckung der Papyri vergeben.
Diese Kennzeichnung wurde von Caspar René Gregory (1846-1917) eingeführt.
Zur Zeit (2012) existieren 127 Papyri. 𝔓117 und 𝔓118, zum Beispiel, wurden 2004 der Papyrusliste hinzugefügt.
Vor 1900 waren 9 Papyri bekannt, bei der ersten Ausgabe von Westcott und Hort offenbar nur eines.
Siehe auch http://textus-receptus.com/wiki/Portal:Manuscripts#List_of_New_Testament_papyri, http://www.skypoint.com/members/waltzmn/ManuscriptsPapyri.html

Signifikante Papyri

𝔓⁵² Áltester Papyrus
𝔓⁶⁶ Grosser Teil des Johannesevangelium, ohne Joh 7:53 - Joh 8:11
𝔓⁴⁵ Abschnitte aus allen Evangelien und der Apostelgeschichte
𝔓⁴⁶ Teile der nicht pastoralen Briefe von Paulus, Hebräerbrief
𝔓⁴⁷ Offenbarung
𝔓⁷⁵ Lukas- und Johannesevangelium; ähnlich wie der Codex Vaticanus.

Majuskeln/Unziale

Majuskeln sind in Grossbuchstaben ohne Wortabstände, meist auf Pergament, geschrieben.
3-11. Jhdt, wovon grösster Teil aus 4.-8. Jhdt.
Majuskeln aus 4. und 5. Jhdt wichtig, weil grosse Teile des NTs abgebildet.
Kennzeichnung: mit einer führenden Null durchnummeriert (um sie von den Minuskeln unterscheiden zu können). Die ersten 45 werden häufig alternativ mit Siglen gekenzeichnet (zB א für den Codex Sinaiticus (entspricht 01), A für den Codex Alexandrinus (entspr. 02)), vgl Liste der Unzialhandschriften des Neuen Testaments.
(Offenbar wird das Siglum A auch für den Ausgangstext verwendet, den es zu rekonstruieren gilt).
Nur eine Unziale enthält den gesamten Text des Neuen Testaements: der Sinaiticus. Alexandrinus hat fast den gesamten Text.
Siehe auch http://textus-receptus.com/wiki/List_of_New_Testament_uncials, http://www.skypoint.com/members/waltzmn/ManuscriptsUncials.html

Minuskeln

Die Minuskeln (Kleinbuchstaben) entwickelten sich im 9. Jhdt. Sie erlaubten eine kompaktere Schreibweise, so dass weniger Platz auf dem Pergament benötigt wurde.
Die älteste datierte Minuskel ist 461.
Kennzeichnung: (ohne führende Null) durchnummeriert. Einige Nummern werden mit hochgestellten Buchstaben versehen, um damit anzuzeigen, was der Inhalt der Handschrift ist: e: Evangelien, a: Apostelgeschichte, p: Brief von Paulus, r: Offenbarung (Revelation).
Über 80 % der Minuskeln representieren den Byzantinischen Texttyp. (Aland, Welte, Köster: Kurzgefasste Liste der griechischen Handschriften des Neues Testaments.)
Wegen ihres relativ geringen Alters wurden die Minuskeln von der textkritischen Forschung lange vernachlässigt.
Siehe auch http://textus-receptus.com/wiki/Portal:Manuscripts#List_of_New_Testament_minuscules, http://www.skypoint.com/members/waltzmn/Manuscripts1-500.html

Lektionare

Geschrieben in Unzialen und Minuskeln auf Pergament, Papyrus, Vellum oder Papier.
Kennzeichnung mit dem Sigel ℓ und einer fortlaufenden Nummer. Die hochgestellten Buchstaben der Minuskeln werden hier auch verwendet.
Siehe auch http://textus-receptus.com/wiki/Portal:Manuscripts#List_of_New_Testament_lectionaries

Pergament vs Papyrus

Pergament ist teurer, dafür besser haltbar. Es wurde hauptsächlich für wichtige Dokumente verwendet.

Nicht griechische Textzeugen / Übersetzungen

Nicht alle Textzeugen sind Griechisch: es gibt auch Syrische, Lateinische, Koptische, Armenische, Äthiopische, Georgianische und Gothische Überlieferungen.
Lateinisch: altleiteinische Übersetzungen (Vetus Latina) und Vulgata.
Syrisch: Vetus Syra, Peschitta, Philoxeniana und Harklensis.
Koptisch: die Sprache in Ägypten vor der Islamisierung.
Daneben werden auch Zitate von (sogenannten) Kirchenvätern hinzugezogen (37'000 Erwähnungen). Leider weiss man nicht, ob es sich dabei um genaue Zitate oder nur um Paraphrasierungen handelt.

Beuron Nummern

Beuron Nummern werden vom Vetus-Latina-Institut vergeben. Dieses Institut hat den Zweck, alle altlateinischen (= vetus latina) der Bibel zu sammeln und zu publizieren.

Suche

Nach spezifischen Handschriften kann offenbar im New Testament Virtual Manuscript Room (NTVMR) gesucht werden.

Datierung

Die Mehrheit der Handschriften sind vom Autor selbst nicht datiert worden, insbesondere die ältesten. Häufig werden solche Dokumente deshalb mit Hilfe der Paläographie datiert.
Es gibt allerdings Handschriften, die vom Autor selbst datiert worden sind. Zum Beispiel enthält die älteste Handschrift (461) den Hinweis, dass sie im Jahr der Welt (Anno Mundi?) 6343 erstellt wurde. Von dieser Zahl zählt man 5509 ab und erhält 834 und kommt so auf die Dateierung 835 n. Chr. in unserem Zeitsystem.
Siehe auch Waltz: Dating Systems and Dates of Manuscripts

Gutenberg

1448 erfand Gutenberg die Druckerpresse. Bibeln, beginnend mit der Vulgata, wurden zunehmend gedruckt, so dass innerhalb von ca. 200 Jahren kaum noch Handschriften angefertigt wurden.

TODO

Die Handschriften von Oxyrynchus wurden zwischen 1897 und 1934 in einem Müllhaufen entdeckt. Sie bestehen aus 50000 Papyri und 36 Texten aus dem Neuen Testament, datiert auf 200-400.
Die Chester Beatty Papyri (12 Handschriften) sind in einem Tonkrug auf einem koptischen Friedhof südlich von Kairo gefunden worden. Sie enthalten eine fast vollständige Abschrift der Paulusbriefe.

Textfamilien

Familie Kʳ / Familie 35

Textfamilie Kʳ (od. Familie 35) wurde von Hermann von Soden identifiziert. Er ging davon aus, dass die Manuskripte dieser Familie das Ergebnis eines Versuchs des 12. Jahrhunderts sind, den Text des Neuen Testaments zu vereinheitlichen.
Aufgrund der Fundorte der Manuskripte dieser Familie nehmen einige an, dass der Ursprung der Manuskripte in Konstantinopel oder auf dem Berg Athos ist.

Links

Wikipedia: Kategorien der Handschriften des Neuen Testaments
New Testament Manuscripts - Uncials
A Table of Greek Manuscripts
Table of NT Greek Manuscripts
Online Database of New Testament Manuscripts
Das Center for the Study of New Testament Manuscripts (CSNTM) hat ein webinterface zur Manuskriptsuche: Manuscript Search.
Das Ziel des CSNTM ist es, alle existierenden griechischen «Neues Testament» Manuskripte zu digitalisieren.

See also

Neues Testament
Textkritik
Phylogenese der Manuskripte des Grundtextes des Neuen Testaments
𝔓45, 𝔓46, 𝔓47, 𝔓52, 𝔓66, 𝔓72, 𝔓75
Codex Sinaiticus, Codex Alexandrinus, Codex Vaticanus, Codex Ephraemi Syri (rescriptus)
Minuskeln 61, 205, 461, 2074, 2075, 2077
Relevante Varianten in Biblischen Manuskripten

Links

DB: Manuscripts

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