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De revolutionibus orbium coelestium

by: Nikolaus Kopernikus
Mit diesem Werk begründet Kopernikus die Kopernikanische Wende. Der Text selbst ist nicht revolutionär; er ermöglichte eine Revolution.
Kopernikus schrieb dieses Buch, weil er mit der Methode der Berechnung der Planetenpositionen und -bewegungen nicht einverstanden war: Ptolemäus und seine Nachfolger hatten es seiner Meinung nach nicht wirlich gelöst.
Das Werk war Papst Paul III gewidmet.

Wichtigster Satz

Der zentrale Satz dieses Buches dürfte sein: »In der Mitte aber von allen steht die Sonne«.

Vorwort

Im Vorwort schreibt Kopernikus, dass er Ungereimtheiten bei der »Berechnung der Bewegung der Sonne und des Mondes« gefunden habe, dass die Mathematiker »die Hauptsache, das ist die Gestalt der Welt und das unbestreitbare Gleichmaß ihrer Teile« nicht finden konnten und dass es so »kein sicheres Prinzip für die Bewegungen der Weltmaschine« gäbe.
Unter anderem schreibt er
wie mir der Einfall gekommen wäre, dass ich gegen die anerkannte Meinung der Mathematiker und sogar gegen die allgemeine Anschauung gewagt habe, mir irgendeine Bewegung der Erde vorzustellen
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Wenn es vielleicht doch Dummschwätzer geben wird, die, ob sie schon jedes mathematischen Wissens unkundig sind, doch darüber ein Urteil sich anmaßen und aufgrund irgendeiner Stelle der Schrift, die sie zu ihrem Zweck bös verdreht haben, sich erfrechen sollten, dies mein Vorhaben zu tadeln und zu verunglimpfen, so halte ich mich mit denen nicht auf, dermaßen, das ich im Gegenteil ihr Urteil als leichtfertig verachte. … Es darf daher Kundige nicht wundernehmen, wenn solche Leute sich über uns lustig machen werden. Mathematisches wird für Mathematiker geschrieben.
Der Herausgeber, Andreas Osiander, schrieb zusätzlich(?) und anonym, wohl von Kopernikus nicht autorisiert:
Da die Neuheit der Hypothesen dieses Werks bereits weithin vermeldet worden, habe ich keinen Zweifel daran, daß einige Gelehrte Anstoß genommen haben, weil dieses Buch aufklärt, daß sich die Erde bewegt. Diese Männer glauben zweifellos, daß die freien Künste, die seit langen auf einer sicheren Grundlage ruhen, nicht in Unordnung gestürzt werden sollen. Doch wenn sie die Sache näher zu untersuchen belieben, werden sie feststellen, daß der Verfasser dieses Werks nichts Tadelnswertes vollbracht hat. Es ist Sache des Astronomen, die Daten über die Himmelsbewegungen durch sorgfältige und kunstreiche Beobachtung zu sammeln und daraus - da nun einmal wahre Erkenntnis auf keine Weise gewonnen werden kann - wenigstens gewisse Verhältnisse und Hypothesen abzuleiten und zu konstruieren, unter deren Voraussetzung jene Bewegungen mit den Grundsätzen der Geometrie sowohl für die Zukunft als auch für die Vergangenheit richtig berechnet werden können … Es ist nämlich nicht notwendig, daß diese Hypothesen wahr, ja nicht einmal, daß sie wahrscheinlich sind, sondern es genügt allein schon, wenn sie eine mit den Beobachtungen übereinstimmende Berechnung ermöglichen … Da aber für ein und dieselbe Bewegung sich zuweilen verschiedene Hypothesen anbieten, wird der Astronom am ehesten diejenige sich zu eigen machen, die sich am leichtesten handhaben läßt. Der Philosoph wird vielleicht mehr an Wahrscheinlichkeit fordern. Dennoch wird keiner von beiden etwas Gewisses erreichen oder weitergeben, es sei denn, daß es ihm durch göttliche Offenbarung zuteil geworden ist … Niemand sollte von der Astronomie hinsichtlich ihrer Hypothesen Gewißheit erwarten, da sie nichts dergleichen zu bieten hat, sonst könnte er, wenn er das zu anderem Gebrauch Konstruierte als Wahrheit nimmt, törichter aus dieser Disziplin hervorgehen als er an sie herangegangen ist. Lebe wohl.
Erst später fand Kepler heraus, dass dieses Vorwort gar nicht von Kopernikus stammte. - Im wesentlichen sagte dieses Vorwort, dass es sich nur um ein Rechenmodell handle, nicht um eine Beschreibung des Sonnensystems.
Osiander hatte wohl geglaubt, so Kopernikus verteidigen zu können. Kepler war überzeugt, dass Kopernikus nicht von einer Hypothese ausging.
Auch Gise ist über das die Intention verfälschende Vorwort verärgert.
Vgl. D. Boorstin, Die Entdecker, S. 332 (2013) und Wolters 2014, S. 4

Das Ptolemäische System zur Zeit von Kopernikus

Seit Ptolemäus hat sich mit jeder Beobachtung der Planeten herausgestellt, dass die von Ptolemäus gemachten Vorhersagen nicht stimmten. Die Berechnungen mussten angepasst werden. Dies wurde dann auch von Astronomen und Gelehrten (von Kopernikus als Mathematiker bezeichnet) fleissig gemacht: Epizyklen wurden hinzugefügt, entfernt, oder ihre Charakteristika geändert.
Zwar stammten diese modifizierten Systeme ideel von Ptolemäus' Almagest ab, waren aber untereinder nicht kompatibel. Jedes System lieferte andere Planetenpositionen und keine Berechnung stimmte mit den von Auge gemachten Beobachtungen überein.

Das Buch, das niemand las

Arthur Koestler hat behauptet, De Revolutionibus sei »das Buch, das niemand gelesen hat«.
Owen Gingerich war nicht sicher, ob diese Aussage zutraf. Während 30 Jahren hatte er alle noch existierenden Drucke der ersten und zweiten Auflage aufgespürt.
Speziell interessant sind dabei die Randbemerkungen (Marginalien), die in den Büchern selbst hinterlassen wurde.
Gingerich hat seine Arbeit als Buch (»The Book Nobody Read«) veröffentlicht. Darin zeigt er, dass die Behauptung von Koestler nicht stimmt: Fast alle führenden Mathematiker und Astronomen jener Zeit besassen und lasen dieses Buch. Allerdings zeigten die Marginalien, dass die meisten die Beschreibung der Kosmologie im ersten Teil des Buches ignorierten und nur am äquantenfreien Modell der Planetenbewegungen interessiert waren.
Dank der Arbeit von Gingerich wurde De Revolutionibus mit Ausnahme der Gutenbergbibel die bestuntersuchte und -katalogisierte Erstausgabe.

Kein Wissenschaftliches Buch

Der Scienceblog stellt erfreulicherweise fest, dass De Revolutionibus kein wissenschaftliches Werk ist:
Die meisten werden vermutlich nicht wissen, dass Kopernikus’ Weltbild rein wissenschaftlich nicht wesentlich besser war als das alte, geozentrische von Ptolemäus. Auch mit Kopernikus’ Ansatz ließen sich die Positionen der Planeten nicht wesentlich genauer vorhersagen und auch er musste in seinem Modell diverse Modifikationen anbringen, so wie es Ptolemäus mit seinen Epizyklen tat (und Gingerich demontiert gleich auch noch den Mythos, dass man im Mittelalter “Epizykel an Epizykel” reihte, um das geozentrische Weltbild noch irgendwie “zu retten”). Denn Kopernikus war in gewisser Hinsicht genau so konservativ wie seine Vorgänger und wollte sich nicht von der Vorstellung lösen, dass am Himmel alles in Kreisform abzulaufen hat. Diesen Schritt hat dann erst Johannes Kepler geschafft…
Nur: wenn dieser Blog »nicht wesentlich besser« schreibt, ist dies natürlich ein Euphemismus, da es überhaupt nicht besser ist.
Vgl Grosse und kleine Epizykel

Suspendierung des Buches

De Revolutionibus wurde nicht verboten (auf den Index Librorum Prohibitorum gesetzt?), sondern suspendiert: Bis 1822 durfte es im Einflussbereich der Römischen Inquisition nur in Bearbeitungen erscheinen, die betonen, das Kopernikus' Astronomie lediglich ein mathematisches System ist.

Über die Gravitation

Kopernikus über die Gravitation

Sonstiges

Georg Rheticus wollte De Revolutionibus gegen zu erwartete Angriffe der Kirche schützen und schrieb dazu De Terrae Motu et Scriptura Sacra.
Obwohl das Buch erst 1543 veröffentlicht wurde, verbreitete Kopernikus ab ca. 1510 die Heliozentrik in seinem handschriftlich (und einfacher lesbar) verbreiteten Commentariolus.
1587 übersetzte Nicolaus Reimers das Buch ins Deutsche. (Offenbar deshalb, damit Jost Bürgi, der kaum Latein sprach, De Revolutionibus lesen konnte).
Die Übersetzung von Menzzer, 1879, ist auf Wikisource.

See also

Georg Rheticus

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